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Sterbebegleitung – Grundsätzliches
– Würde und Achtsamkeit
Mai 2020 - von Michael Arndt, Sterbe- und
Trauerbegleiter
Die Sterbe-Begleitung ist geprägt von der
Erkenntnis, dass alle Menschen sterben MÜSSEN. –
Um sterben zu müssen, „sollte“ man/frau gelebt haben bzw.
leben.
ars
vivendi
(pdf-Text von
Monika Müller)
Denn das Sterben bzw. der Tod gehören unweigerlich zum Leben
und sind nicht getrennt zu betrachten. –
In unserem Leben ist es aber anders, eben dialektisch: Der
Tod wird i. d. R. vom Leben getrennt gesehen und
abgespalten, sodass er vermeintlich nichts mit uns wirklich
zu tun hat. – DAS macht das Sterben und das finale Ja zum
Tod so schwer. –
Leben und Sterben sind ein und derselbe Prozess: ein
permanentes Abschiednehmen, was wir ganz persönlich
erleben und erlernen müssen. -
KEIN ANDERER STIRBT FÜR
UNS! –
Die Religionen und die spirituellen Vorstellungen
„helfen“ uns damit ein wenig einvernehmlicher umgehen zu
können. – Sie können uns Trost sein. Sie sind jedoch nicht
zwingend!
Deshalb ist die Sterbebegleitung immer eine Begleitung
des Wunsches, des momentanen Bedürfnisses meines
Gegenübers. Und diese Bedürfnisse und Sichtweisen des
Sterbenden müssen mit meiner Vorstellung vom Leben, vom
Sterben und vom Tod nicht gleich sein! –
ICH UNTERSTÜTZE UND BEGLEITE IHN, sodass sein Sterben
möglichst IN SEINEM SINNE (Würde) vollzogen werden kann. –
D. h., dass ich durchaus, wenn gewünscht, mit ihm
natürlich auch beten kann oder schweigen, erzählen oder
singen - oder oder oder …
Jede/r
ist allein auf diese Welt gekommen und geht allein. Das
ist eine Tatsache.
Keiner ist bislang zurückgekommen, um zu erzählen, „was
im Jenseits für eine Party abgegangen ist!“ – Die
Nahtot-Erfahrungen sind nicht valide. – Und die
„Licht-Erlebnisse“ am Ende des Lebens sind
neurobiologisch-biochemisch nachweislich zu erklären. Das
hat NICHTS mit dem „heilsbringenden Licht“ von
irgendwelchen Religionen, was vielerorts irrtümlich
angenommen und so interpretiert wird, zu tun!
Es ist hier sehr wichtig, sich an die Fakten zu halten.
Wir sind, was das Metaphysische angeht, alle Agnostiker,
Nichtwissende. – Glauben ist hier etwas völlig anderes! -
Konditionierte Religionsrituale können uns helfen,
beruhigen und Trost sein z. B. im Vertrauen auf Gott i. S.
v. „wir können nicht tiefer fallen als in die Hände
Gottes.“ – Wenn jemand sich im Vertrauen auf seinen Gott,
wer immer das für den einzelnen auch ist, fallen lässt,
auf das Sterben einlässt (LASSEN!), der hat es gut. – Er
oder sie machen nichts anderes im Sterben als im Leben: Er
oder sie "hypnotisieren" sich selbst; eine wirkstarke
Kraft! – Und das darf er oder sie! – Doch diese Art und
Weise ist NUR FÜR IHN zulässig und nicht universell für
jeden erwartbar, übertragbar oder gar einforderbar
(Würde). –
Wir Sterbebegleiter MÜSSEN uns eingehend mit unserem
Leben und der Vorstellung über den Tod auseinandersetzen,
um diese Arbeit überhaupt professionell (also mit dem
inneren Abstand zum Sterben des anderen) leisten zu
können! Dabei ist unsere Empathie natürlich nicht
aufgehoben. –
Wir MÜSSEN uns unsere Abschieds- und Trauer-Biografie sehr
klar und deutlich vor Augen und ans eigene Herz führen, um
nicht in der Begleitung unsere eigenen Vorstellungen zu
transportieren (s. Übertragung) oder gar entsprechend
vorhandene Ängste in der Begleitung des Sterbenden zu
verarbeiten! – Das wäre im strengen Sinne Missbrauch. –
Wenn etwas, was durchaus immer geschehen kann, uns in
diesem Begleit-Prozess zu tiefst berührt, gehört das
unbedingt in eine Supervision zur Klärung!
Das Phasenmodell von Frau Kübler-Ross ist nicht
apodiktisch zu verstehen. Nicht apodiktisch heißt hier:
... natürlich KANN es diese Phasen geben! - Jedoch die
Praxis zeigt, dass wir dazu neigen, auf diese Phasen
"erwartungsvoll" zu schauen. - Und weiter ist daher zu
bedenken, dass solche Phasen-Modelle (und es gibt mehrere)
uns womöglich den Blick verstellen, auf das, was wirklich
angesagt ist. - So sind wir eher in die Lage versetzt, in
der aktuellen, wachen Aufmerksamkeit zu bleiben. Die
verschiedenen Phasen sind nicht immer chronologisch und
können auch übersprungen und wiederholt werden, - je nach
dem WEN ich vor mir habe. Das kann sehr unterschiedlich
sein. –
Das AKTUELLE GUT-BEI-SICH-SEIN und eine immer wieder sich
NEU drauf einlassende WAHRNEHMUNG ist der Schlüssel für
eine gute, sprich würdevolle, finale Begleitung. –

Auch vergangen sein ist ein
Sein, gesicherter und
endgültiger als das gegenwärtige.
Dr. med. et Dr. phil. Viktor Frankl (1905 - 1997),
Tod ist Leben, die andere Blattseite gehört
nicht nur zum Blatt, sie ist Blatt.
Dr. phil. Manfred Hinrich
Das, was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch
dem Tod Sinn. -
Antoine de Saint-Exupéry
Der Mensch ist nicht der Herr des Seienden.
Der Mensch ist der Hirt des Seins.
-
Martin Heidegger
Die Stille ist voller
Gespräche (Meditation) und die Nachtfalter sind
meine Bundesgenossen.

Ich schicke eine Taube
(Brigitte Felser)
in den Himmel,
mit einem Paket
auf den Flügeln.
Sei vorsichtig,
wenn du es öffnest,
es ist voll mit
schönen Dingen.
Darin gibt es
eine Million Küsse.
eingewickelt in einer
Million Umarmungen
um dir zu sagen,
wie sehr ich dich vermisse.
Ich schließe dich ein
in mein Herz und
dann kannst du mit
mir gehen,
durch mein ganzen Leben.
- "Everything Must Change"
Everything must change
nothing stays the same
everyone will change
no one stays the same
The young become the old
and mysteries do unfold
for that's the way of time
nothing and no one goes unchanged
There are not many things in life
you can be sure of, except
rain comes from the clouds
sun lights up the sky
and hummingbirds do fly
Winter turns to spring
a wounded heart will heal
but never much too soon
yes, everything must change
Man
hat nie Angst vor dem Unbekannten;
man
hat Angst davor, dass das Bekannte
aufhört.
Jiddu
Krishnamurti

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